Samstag, 26. April 2014

Paranoia? Halluzination? Real?

Ich bin schlaflos. Eigentlich wollte ich mich vor mehr als zwei Stunden schlafen legen aber....es geht nicht. Wie immer hab ich meine Hörspiele angemacht, um die Wortgefechte in meinem Kopf zu dämpfen und den Lärm von draussen. Und trotzdem sind da diese Geräusche. Es hört sich nicht wie sonst an, wie mein seufzender Kühlschrank, das leidende Ächzen der Stützbalken oder das Gurgeln der Heizung. Es ist mehr ein Wispern. So, als stünde jemand neben mir und flüsterte mir grauenhafte Dinge ins Ohr. Dinge, die ich kenne. "Mach die Augen auf Miststück, du bist dran!" Ein Satz, den ich so gut kenne wie meinen eigenen Namen. Ich öffne meine Augen, aber da ist niemand. Natürlich ist da Niemand! Mein Kind kann nicht alleine aus dem Bett krabbeln und die Tür habe ich schon zwei Mal kontrolliert. Ich schliesse auf und wieder zu. Wie jeden Abend. Das muss sein!
Wenn ich durch das Zimmer schaue, dann sehe ich auf den ersten Blick nichts Neues. Mein Salontisch, der überfüllt ist von den Kinderbüchern, Zetteln und Fernbedienungen. Meine Kommode die so vollgestopft ist mit DVD's und VHS, dass sie bald platzt. Der tiefschwarze Bildschirm des Flatscreenfernsehers mit seiner roten Kontrolleute und das schwarze Büchergestell, dass in der Nische steht. Daneben hängt das Bild meiner Mutter mit den zwei Herzen. Eines von Vielen Kunstwerken aus ihrer Hand. Die Maske,die links über dem Fernseher hängt starrt seelenlos auf mich herab,die roten Lippen ausdruckslos.
Ich greife nach meinem Teddybären und ziehe ihn, hilfesuchend wie ein kleines Kind, an mich. Er kann mir nicht helfen, das weiss ich, aber es beruhigt mich, ihn im Arm zu halten. Er riecht nach meiner Tochter und nach dem Parfum meines besten Freundes, dass er mir liebevoll darauf gesprüht hat. Er ist einer der wenigen Menschen, die mir nicht helfen wollen, sondern mich behandeln, als wäre ich wie er. Gesund und guter Dinge. Aber das bin ich nicht, denn da ist etwas.
An den Wänden schleichen die Fliegen hin und her und stossen sich dann summend in den dunklen Raum. Aber an den Wänden ist auch noch etwas anderes. Ein Schatten. Nein: Zwei! Sie befummeln sich in einem abstrakten Spiel, teilen sich und fliessen dann wie Pech ineinander über. Sie kriechen über das monotone Weiss, auf mich zu und von mir weg. Mein Herz rast, die Angst schnürt mir die Kehle zu und treibt mir Tränen in die Augen. Ich weiss dass es keine Lichtspiele von draussen sein können, denn die Aussenwelt habe ich für die Nacht boykottiert.
Ich schliesse meine Augen und das ekelhafte Flüstern verstummt. An seine Stelle treten grausame Bilder. Bilder von Blut, in das ich getaucht werde. Blut, das mir auf die Stirn geschmiert wird wie Weihwasser bei der Taufe. Ich sehe in die schwarzen Löcher unter den Kaputzen und weiss, dass das alles nicht real ist. Aber die Schmerzen sind real. Ich kann meinen Körper kaum bewegen, spüre wie sich Hände an mir zu schaffen machen, wie Klingen mein Fleisch malträtieren und heisser Wachs über mich fliesst. Angstvoll öffne ich die Augen wieder, aber die Gestalten verschwinden nicht. Sie stehen im Kreis um mich herum, obwohl ich weiss, dass ich in meiner Wohnung auf meiner Couch liege und meilenweit weg bin von ihnen. Ein paar von ihnen kichern, als sich ein Seil um meinen Hals schlingt. Bruch.
Ich halte die kleine Tigerkatze auf meinem Arm und streichle sie. Eigentlich ist es ein Kater, knapp drei Monate alt. Ich mag dieses Tier, auch wenn ich mit Katzen nicht viel anfangen kann. Doch ich bin traurig. Wir gehen die verlassene Landstrasse entlang zu dem kleinen Wäldchen, in dem ich vor ein paar Jahren mein Kaninchen vergraben habe. Meine Mutter hatte damals ein Kreuz aus zwei Stöckchen gemacht und es in die Erde gesteckt, damit ich den Ort auch wiederfinde, sollte ich ihn suchen. Langsam bekomme ich angst. Wieso hat diese seltsame Frau mich mitten in der Nacht geweckt? Das alte, halbvermoderte Laub knistert unter unseren Füssen und irgendwo haben wir wohl ein Nachttier aufgeschreckt, denn es knackt im Unterholz.
Ich weiss, das ich in meiner Wohnung und auf meiner Couch liege, weit weg von alledem.
Wir haben die Stelle erreicht, an der ich meinen Hasen vergrub. Das Kreuz war noch da, aber es wär schräg und nicht mehr ganz so schön wie es mir damals vorgekommen war. Mein Katerchen schnurrt genüsslich vor sich hin, während ich ihm nervös durchs Fell kraule. Ich drücke ihn an mich, denn ich ahne nichts Gutes.
"Setz dich auf den Boden und leg die Katze vor dich.", befiehlt mir diese kalte, befremdliche Stimme. Natürlich tue ich es, denn ich weiss, wenn ich es nicht tue oder frage warum, wird sie mich schlagen. Ich will nicht geschlagen werden. Das Kätzchen sieht mich merkwürdig an. Es scheint mir, als schreie es in meinem Kopf um Hilfe aber wer soll uns helfen? Einen Moment lang denke ich, ich könnte das Kätzchen nehmen und davon laufen. Aber wohin? Zu meiner Mutter kann ich nicht, die ist verschwunden. Nach Hause kann ich auch nicht, denn da findet sie uns. Und wohin ich sonst gehen soll weiss ich nicht. Die grosse, gutgenährte Frau nimmt ihre Tasche von der Schulter und kramt darin. Etwas blitzt fahl auf. Woher kam das Licht? Ich weiss es nicht.
Ich schliesse meine Augen erneut, aber die Bilder gehen nicht weg. Sie werden schneller.
Das Messer. Dieses grosse, kalte Messer, das sie mir entgegen streckt und von mir verlangt, dass ich es nehme. Mein Körper gehorcht ihr, aber mein Kopf will das nicht. Ich fange an zu schreien. Stumm und nur für mich und das Kätzchen hörbar. Sie drückt es mit ihrem breiten Fuss auf die Erde, damit es nicht aufspringen und davonlaufen kann. Und dann schneidet ihre  grauenhafte Stimme in dieses obszöne Bild: "Ich will, dass du jetzt dieses Messer nimmst und damit dieses Vieh aufschlitzt! Versuch nicht, mich zu verletzen, sonst wirst du deinem Hasen und der Katze Gesellschaft leisten hast du mich verstanden?"
Ich spüre die heissen Tränen heute noch in meine Augen und über meine Wangen rollen. Sie fühlten sich damals an wie Säure, die mir das Gesicht und den Hals verätzt. Ich nicke. Natürlich nicke ich...was sollte ich auch sonst tun?
Der kleine Körper ist warm, zittert und ich kann das kleine Herz rasen spüren. Eine Taschenlampe blitzt auf und blendet mich. Ich kneife meine Augen fest zusammen und setze das Messer zitternd an die Brust des Tieres. Ich habe solche Angst, dass ich glaube auf der Stelle tot umzufallen. Aber das kann ich nicht. Ich darf nicht sterben, ich will doch wieder zu Mama zurück. Und das kann ich nicht wenn ich tot bin. Sie faucht mich an, ich solle meine verdammten Augen öffnen und als ich es nicht sofort tue trifft etwas hartes meinen Rücken. Schmerzen schiessen durch meine Wirbelsäule und meine Beine und einen Moment lang ist alles taub. Ich hab nicht geschrien und darauf bin ich stolz. Ich bin stärker als sie, weil ich nicht schreien muss. Sie schlägt mich ein zweites Mal mit dem Ast, dieses Mal spür ich es kaum. Ich versuche meinen Blick irgendwo hin schweifen zu lassen, als sie meine Hand packt und ungeduldig das Messer in das junge Fleisch der Katze drückt.
Ich weiss, das ich in meiner Wohnung auf meiner Couch liege und weit weg bin von alle dem!
Aber sie zwingt mich, es mir anzusehen. Sie tritt mich und ich schiebe das Messer langsam weiter in den kleinen Körper. Die Katze schreit fürchterlich und ich hoffe, dass das irgendjemand hört. Das Irgendjemand uns sieht und mich rettet. Die Katze rettet, die ich doch so sehr liebe. Aber Niemand hört oder sieht uns. Das Licht der Taschenlampe wird diffuses Licht auf das Spektakel und es erscheint mir wie ein Traum, als ich die Klinge nach unten ziehe, die dünnen Knochen auseinander breche und langsam den prallen Bauch der Katze aufschneide. Das Blut rinnt mir über die Hände und vermischt sich mit meinen Tränen, die bereits mein Shirt durchnässt haben. Ich schluchtze und will aufhören. Ich will dieses Tier nicht töten, aber ich muss. Wieder schlägt und tritt sie mich, befiehlt mir, das Messer bis zum Ende durch zu ziehen. Das Kätzchen ist verstummt und ich kann auch sein Herz nicht mehr fühlen. Alles was ich fühle ist die Hitze seines Blutes, dass von meiner Hose aufgesaugt wird und meine Knie und die Unterschenkel rot färbt. Der kleine Körper zuckt. Sie zwingt mich, die Innereien des Kätzchens aufzuheben und zu essen. Ich breche. Sie drückt meinen Kopf in das Erbrochene und zwingt mich, es aufzulecken.
ICH WEISS, DAS ICH IN MEINER WOHNUNG AUF MEINER COUCH LIEGE UND WEIT WEG BIN VON ALLEDEM!!!!!!
Ich liege im unteren Bett des Kajütenbettes und schlafe. Ich träume schlecht von grossen, dünnen Männern die in mein Zimmer kommen und mir zeigen, was Mann mit meinem Körper alles machen kann. Der Schweiss hat das ganze Bett durchnässt. Plötzlich bekomme ich keine Luft mehr und fange an wie ein Fisch am Hacken zu zappeln. Das dicke, schwere Kissen presst sich auf mein Gesicht und ich spüre ihre grosse, massige Hand darauf. Das Gewicht ihres immensen Körpers drückt eine Kuhle neben mir in die Matratze und ich versuche sie zu treten. Aber das geht nicht. Wieso geht das nicht????
"Du hast mir nicht gehorcht und das ist deine Strafe du wertlose, dreckige Schlampe. Du Kind des Teufels mit einer verfluchten Hure!" Sie nimmt das Kissen von meinem Gesicht, kurz bevor die Schwärze kommt. Ich kenne diese Schwärze. Sie kommt mehrmals täglich.Farbige Blitze tanzen vor meinen Augen und gierig fülle ich meine Lungen mit der unguten Luft. WIeso ist die Luft so schlecht? Das Fenster stand doch offen? Ich schmecke Blut in meinem Mund.
ich weiss, das ich in meiner Wohnung auf meiner Couch liege und weit weg bin von alle dem...
Oder?
Ich fahre auf, hechle, ringe nach Atem. Frische Luft. Das Prasseln des Regens draussen. Mein Teddybär. Er riecht nach meiner Tochter und dem Parfum meines besten Freundes, dass er liebevoll für mich darauf gesprüht hat. Aus dem Kinderzimmer höre ich das leise Schnarchen meines Kindes und weiss, dass es vorerst vorbei ist. Die Schatten sind weg, aber die Angst nicht. Die Angst und die Trauer stecken in meinem Hals wie ein Felsen, den ich nicht hinunterschlucken und auch nicht auspucken kann. Mein Gesicht ist heiss und nass und ich wische mit der Hand darüber. Blut. Ich mache das Licht an und wische mir erneut über den Mund und die Nase. Blut. Ich drehe mich und betrachte mein Kissen. Es ist blutig. Auch meine Augen sind blutig. Wiedereinmal. Ich greiffe zu den Taschentüchern auf dem Salontischchen und drücke mir eines gegen die Nase, um die Blutung zu stoppen. Ich bin zu Hause. Ich bin Hier und Jetzt. Das Kätzchen ist seit knapp 13 Jahren tot und vermutlich schon lange verrottet. Aber in meinem Kopf lebt es noch. In meinem Kopf kann ich sehen, wie es gierig an der Flasche nuckelt und sich auf meinem Schoss zusammenrollt. In meinem Kopf gibt es keine Kissen. Die haben wir alle abgeschafft. Zu gefährlich. Aber die Stimmen sind noch da.
Sie kreischen, toben und streiten sich. Ich beachte sie nicht, denn ich weiss dass sie sowieso nicht auf mich hören werden. Also schliesse ich die Tür zu meinem Kopf einfach und setze mich in die Dunkelheit. Die beruhigenden Klänge des Hörspiels rieseln wie Nieselregen in mein Bewusstsein.
"Kommt Kollegen, durchsucht ihr den netten Sohnemann.."
"Fingerweg ihr verdammten Drecksbengel!" Justus, Bob und Peter sind mal wieder zur Auflösung ihres Falles gekommen. Sie befinden sich nicht in den 50er Jahren. Es war alles nur ein Schwindel. Erstunken und Erlogen um ein Firmenerbe abzukassieren.
Ich schreibe ein paar Zeilen und lasse mich wieder in mein Kissen sinken, als mir auffällt, dass es nass ist. Ich werde es morgen waschen. Ich nehme meinen Teddy und lege ihn unter meinen Kopf, das Kissen liegt auf dem Wäschekorb. Der Teddy riecht nach meiner Tochter und dem Parfum meines besten Freundes, dass er liebevoll für mich darauf gesprüht hat. Es beruhigt mein rasendes Herz und die Schmerzen im Bauch und am Rücken verblassen allmählich. Mein Blick wandert an die Decke und ich hoffe, endlich die erlösende Dunkelheit zu finden, die kein Blut beherbergt und keine Katzen, vermummten Gestalten oder Stöcke und Peitschen. Aber ich weiss, dass ich diese Dunkelheit ohne die Tabletten nicht finde, die ich nicht nehmen kann, da ich sonst nicht in der Lage bin, morgen früh wieder aufzustehen und den Tag frisch zu beginnen.

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