Samstag, 26. April 2014

der ganz normale Psychiatriewahnsinn

Seid mal ehrlich: wie oft habt ihr schon Menschen mit verschnittenen Armen gesehen und gedacht: "Was für ein Emo!" oder habt miterlebt wie jemand plötzlich wirres Zeug anfängt zu schreien und euch einfach umgedreht? Ich denke, oft genug. Aber habt ihr auch nur einmal daran gedacht, solchen Menschen zu helfen? Euch einfach neben sie zu setzen und ein paar nette Worte mit ihnen zu wechseln? Wahrscheinlich nie!
Ich finds traurig...ganz ehrlich. Denn wie oft hab ich mir gewünscht, dass einfach Jemand mit mir spricht?!? Natürlich gibt es auch Menschen, die das gar nicht wollen, aber das findet man nur heraus, wenn man etwas wagt oder nicht?
Gerade wieder ist eine Bekannte von mir in stationärer Behandlung und ihr geht es gar nicht gut! Sie fragte in einem Social Network, ob sie jemand besuchen käme. Natürlich wurden Fragen laut wie: "Warum bist du denn da?" und "Was willst du hier?" Und von einem Gruppenmitglied kamen sogar heftigste Beleidigungen. Es ging von Mittleidskind bis hin zu gestört und was weiss ich. Sie merkte nicht,dass sie sich dabei bei allen unbeliebt machte, aber ich glaube dass sie die Art Mensch ist, die nicht einmal merken würde wenn ihr Kopf fehlt. Ich persönlich finde es traurig.....ich weiss nur zu gut, wie sich das anfühlt, wenn man alleine in einer Klinik sitzt. Umgeben von altklugen Ärzten, unnützen Tabletten und zugedröhnten Patienten, die im besten Fall einen halben Satz von sich geben können, ehe sie wieder in ihr wahnwitziges Delirium fallen. Es ist nicht leicht, den ganzen Tag die Eintönigkeit der farblosen Wände zu ertragen, den permanenten Geruch von Desinfizierungsmittel oder das endlose Gebrabbel irgendeines Therapeuten, der es zwar gut mit einem meint, aber doch eigentlich keine Ahnung hat, wovon er da eigentlich spricht. Selbst die Beschäftigungstherapien werden nach ein paar Tagen zu einem routinierten Vorgang, der die Kreativität blockiert und für nichts weiter Platz lässt, als das eigene Elend.
Und vom eigenen Elend wollte man ja eigentlich wegkommen oder? Aber das kann man in einer Klinik nur sehr langsam, dazu sind die ja schliesslich da....oder etwa nicht? Ich weiss nur noch, dass ich damals sehr schnell den Koller bekam. Es ging mir durch die vielen, belanglosen Gespräche nicht wirklich besser, Die vielen Tabletten konnten da auch nichts ändern. Im Gegenteil. Viele glauben, Tabletten lösen die Probleme, aber sie sind nichts anderes als anerkannte Drogen. Sie verdrängen die Gedanken, töten die Gefühle und machen uns zu leeren, leblosen Puppen. Nach ein- zwei Wochen fängt man an, einfach alles zu schlucken was sie einem hinhalten, ohne nachzufragen was und wofür das gut ist. Nach drei Wochen ist es nicht mehr wichtig, dass sie einem etwas hinhalten, man hält selbst die Hand auf, weil man die Ruhe im Kopf geniesst und erleichtert ist, dass die Gefühle nicht mehr wie aufgeschäuchte Hühner schreien. Man ist froh, dass man nichts mehr fühlen muss ausser der Leere. Doch diese Leere ist trügerisch. Nach wenigen Tagen wird sie unerträglich. Man fängt automatisch wieder an zu grübeln...über nichts wichtiges, denn das kann man nicht mehr. Es sind Dinge wie: "Warum scheint die Sonne nicht mehr?" oder "Wieso ist der Regen kalt?" und "Wann kommt das nächste Essen?" Man fängt an zu roboten. Wortwörtlich. Der Tagesablauf ist immer der gleiche, nichts ändert sich, ausser der Anzahl Mitinsassen und deren Gesichter. Hin und wieder stirbt jemand oder kommt in die Isolationszelle, aber das nimmt man kaum wahr. Sie alle sind nur noch Schatten in diesen, mit Neonlicht gefluteten Gängen. Sie schleichen tonlos über die PVC Böden, die alle dieselbe Farbe haben. Das ist so, damit man bei einer Verlegung nicht verunsichert wird, dass die Stabilität nicht ins Wanken gerät. Man fängt an die dunkelblauen Punkte in der blassgrünen Oberfläche zu zählen. Um sich abzulenken. Um einen Sinn zu finden. Und nach vier bis sechs Wochen hat man vergessen, warum da ist. Man fängt an zu begreifen, dass die Tabletten nicht wirklich Besserung verschaffen und schluckt sie nicht mehr herunter. Mit der Zeit hat man Tricks herausgefunden, wie man sie verstecken kann. Unter der Zunge, oder hinter dem letzten Zahn. Man spuckt sie im Zimmer aus, spült sie die Toilette hinunter oder verstaut sie in einem Plastiksäckchen, das man anschliessend irgendwo versteckt. Es dauert keine fünf Tage, bis man genug Tabletten für ein ganzes Krankenhaus zusammengesammelt hat. Hin und wieder denkt man darüber nach, diese Tabletten an andere Patiente zu verkaufen. Nicht weil man reich werden will. Man will einfach ein Bisschen mehr Geld haben, als man bekommt. Und die Käufer sind zufrieden. Sie können sich damit aus diesem Wahnsinn flüchten, machen sich selbst zu Marionetten eines Anderen oder sind einfach scharf auf einen Trip. Man beneidet sie. Man kommt sich vor, wie ein einziger Haufen Unglück. Mit Tabletten kann man sich nicht mehr in eine andere Welt flüchten und selbst wenn, wird man durch die Gespräche immer wieder in die Eigene zurück geholt. Irgendwann hat man den Bezug zur Aussenwelt verloren. Das Interesse am Weltgeschehen ist verloren, Fernsehen ist nichts weiter als flimmernde Ablenkung, die man nicht verstehen kann. Freundschaften entstehen. Fragwürdige Freundschaften zweifellos, aber sie sind das Einzige, dass einem den Alltag in diesem Wahnsinn erträglich machen. Es tut gut zu lachen, selbst wenn man nicht weiss oder versteht weshalb. Es tut gut, sich mit anderen zu unterhalten...vielleicht haben sie sogar ähnliche Probleme wie man selbst. Und es tut gut, sich gegenseitig hochzuschaukeln. Man fühlt sich verstanden, auch wenn das in den meisten Fällen nicht der Fall ist. Die Psychologen und Psychiater sind mittlerweile nichts weiter als Clowns, die nicht dich zum lachen bringen, sondern sich selbst an deinem Unglück laben und darüber lachen. Sie nehmen dich nicht ernst und nach einer Weile nimmst du sie auch nicht mehr ernst. Die Pfleger werden zur Hassfigur. Egal was sie zu wem sagen, man regt sich darüber auf. Aber am meisten regt man sich über sich selbst und sein Umfeld auf. Wie oft hat man doch schon gehört dass sie dich besuchen kommen und sind dann doch nie gekommen. Und wie oft haben sie einem Vorwürfe gemacht und unverständlich den Kopf geschüttelt. Natürlich ist es nicht einfach, das Seelenleben zu verstehen, aber das verlangt auch niemand. Das Einzige was wir wollen ist Akzeptanz....so genommen zu werden wie man nun eben ist und ein Bisschen Rücksicht. Aber das bekommt man höchst selten. Vielleicht kommen sie die ersten Tage tatsächlich, aber das lässt nach. Irgendwann rufen sie dann auch nicht mehr an, sie schreiben nicht mehr. Sie haben dich einfach vergessen. Man sitzt vor den geschlossenen Fenstern, starrt ungeduldig in die Freiheit hinaus und fragt sich, wo man welchen Fehler gemacht hat, dass man schlussendlich hier gelandet ist? Aber die Antwort bleibt aus. Wie soviele andere Antworten auch. Und irgenwann, wenn man genug von diesem Zirkus hat, packt man seine Sachen, lässt sich ausweisen und geht nach Hause. Man ist nicht geheilt, die Tasche ist voller Drogen und das Leben draussen scheint schwerer zu sein als es jemals zuvor war. Berge von Rechnungen warten, ausgetrocknete Pflanzen stehen überall herum und warten auf ihre Beerdigung auf dem Kompost, weil die nette Nachbarin aufgehört hat, sie zu giessen. Man will sich nicht mit einem "Psycho" in Verbindung bringen. Abschaum der Gesellschaft. Der normale Alltag beginnt wieder, man versucht zur Schule oder zur Arbeit zu gehen, aber egal wo man hingeht, man wird angestarrt wie ein Aussätziger. Das Einkaufen fällt schwer, hat man in der Zeit doch schon fast vergessen, wie das geht. Der Haushalt wird zum grössten Problem. In einer Klinik muss man nicht putzen. Keinen Müll runter bringen und kein Geschirr abwaschen. Die Tabletten wirft man in irgendeinen Schrank, wo sie verstauben bis sie abgelaufen und pures Gift sind. Und irgendwann scheint es wie ein Traum, dass man mal in der Klinik war.

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